Interview zum 10-jährigen Jubiläum der Cinédames
erstellt von: HOMO Littera | Kategorie(n): Interviews
Wir freuen uns, ein Interview mit den „Cinédames“ machen zu dürfen. Am 10.Oktober feiern sie ihr 10-jähriges Jubiläum.
Hallo, ihr Lieben! Wir freuen uns, mit euch ein Interview führen zu dürfen. Würdet ihr euch bitte kurz vorstellen und uns erklären, was die „Cinédames“ genau sind beziehungsweise was sie machen?
Wir sind eine Gruppe von Lesben, die sich unter dem Dach des LSVD Saar „Lesben- und Schwulenverband Deutschland Landesverband Saar“ zusammengeschlossen haben, mit dem Ziel die Darstellung von Frauen, insbesondere von Lesben, im Medium Film unter die Lupe zu nehmen und damit beizutragen, Frauen/Lesben wieder verstärkt sichtbar zu machen. In Kooperation mit dem Kino Achteinhalb zeigen wir daher seit dem Jahr 2005 rund alle zwei Monate einen frauen-/lesbenspezifischen Film und hoffen, dass wir damit interessanten Gesprächsstoff liefern.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, die „Cinédames“ zu gründen?
Es gab schon einmal eine Gruppe, die die Lesbenfilmnacht veranstaltet hatte. Ein paar Jahre nachdem diese Kinogruppe nicht mehr aktiv war, haben etliche Frauen das „Öffentliche-Miteinander-Lesbenfilme-Gucken“ doch sehr vermisst. Margit Reinhard-Hesedenz hatte die Idee, das Anliegen in eine Lesbengruppe des LSVD Saar mitzunehmen, und dann ging alles ganz schnell: Es fanden sich kinobegeisterte Frauen, bei einem Brainstorming fand sich der Name und seitdem gibt es die Cinédames. Ein Name für unsere Kinogruppe bzw. die Filmreihe, der natürlich sehr gut zu unseren französischsprachigen Nachbarländern passt.
Wie genau kann man sich das vorstellen? Kommen die Leute zu euch, sehen sich gemeinsam den Film an und diskutieren danach mit euch darüber?
Wir zeigen die Filme im Saarbrücker Programmkino Kino Achteinhalb, das für uns die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und auch die Filme bei den Verleihfirmen besorgt, die wir vorher ausgewählt haben. Wir halten eine Einführungsrede zu dem betreffenden Film. Je nachdem, ob wir mit anderen Stellen kooperieren oder wir eine Regisseurin einladen, folgen danach noch weitere Informationen. Nach dem Film gestalten sich unsere Diskussionen eher zwanglos. Wir stehen noch sehr gerne Rede und Antwort im Kinosaal und danach in einer Kneipe und diskutieren mit unseren Gästen über den Film und den darin angesprochenen Themen. In diesem Zusammenhang möchten wir uns sehr, sehr herzlich beim Kino Achteinhalb, unseren Unterstützerinnen und natürlich auch bei unserem Publikum für die Zusammenarbeit, gute Gespräche und Treue bedanken.
Habt ihr einen festen Stammkreis, der zu euren Filmabenden kommt, oder „schauen“ manche nur hin und wieder vorbei?
Ein guter Teil unseres Publikums ist schon von Anfang an dabei. Wir haben zudem im Laufe der Jahre neue Kinointeressierte finden können. Manche von ihnen ließen sich bislang kaum einen Filmabend entgehen, andere wiederum schauen immer mal wieder vorbei und dann gibt es noch diejenigen, die sehr gezielt zu Aufführungen kommen. Das gilt besonders für die Veranstaltungen, die wir mit Kooperationspartnern wie die Musikhochschule des Saarlandes, der Frauengenderbibliothek oder der Fachrichtung Anglistik der hiesigen Universität durchgeführt haben. Im Großen und Ganzen haben wir also schon in dieser Beziehung ein gemischtes Publikum und es kommen auch immer wieder Filminteressierte, die sich normalerweise nicht im feministischen oder queeren Umfeld bewegen.
Seid ihr in euren Diskussionsrunden ausschließlich Frauen, oder nimmt auch manchmal ein Mann daran teil und möchte mit euch diskutieren?
Vor allem bei Kooperationen wie mit der Uni oder wenn wir eine Referentin zu Gast hatten, waren Männer Teil unseres Publikums und sie sind auch zu den Diskussionen nach dem Film geblieben.
Nach welchen Auswahlkriterien wählt ihr eure Filme aus? Bevorzugt ihr bestimmte Gattungen?
Bei der Auswahl versuchen wir eine möglichst große Bandbreite des „Frauen/Lesben“-Filmspektrums abzubilden. In diesem Prozess berücksichtigen wir natürlich auch Wünsche und Vorschläge unseres Publikums. Ein wichtiges Anliegen ist es uns dabei, thematische Wiederholungen möglichst zu minimieren: Der x-te Coming-Out-Streifen hat darum bei den Cinédames wenig Chancen. Filme jedoch, die von der Storyline oder dem historisch-gesellschaftlichen Kontext her eine interessante Geschichte erzählen, zeigen wir sehr gerne. So hatten wir beispielsweise schon mit Hamlet einen Stummfilm-Klassiker, mit Tausendschönchen einen surrealistischer Avantgarde-Streifen, die Original-Fassung von „Mädchen in Uniform“, Filme aus aller Welt und natürlich Kult-Filme wie „Desert Hearts“ im Programm. Was Genres oder Gattungen betrifft, sind wir völlig offen, nur bei Pornos und Splatter-Filme sagen die Cinédames „Non“.
Die Darstellung von Frauen/Lesben in Filmen wird in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Woran glaubt ihr, liegt das?
Wir denken, das liegt am ökonomischen Druck vor allem im Zuge der neoliberalen Globalisierung. Auch bei der Filmwirtschft zeigen sich entsprechende Auswirkungen. Gefördert und medial gepusht werden mehrheitlich die Filme, die eine große Zielgruppe ansprechen und somit besonders profitabel erscheinen. Die Fokussierung auf sogenannte Blockbuster ist offensichtlich und das sind Streifen, die in aller Regel tradierte Rollenmodelle bedienen, wie Action-Reißer, Buddy-Komödien oder heterosexuelle Liebesfilme. Da bleibt kaum Platz für anderes, geschweige denn für Filme, die sich mit der Lebenswirklichkeit von Frauen und Lesben beschäftigen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Diskussion darüber in der Öffentlichkeit eher marginal beziehungsweise in kleinen Zirkeln stattfindet.
Wie hat sich im Laufe der Zeit die Darstellung von Frauen und/oder Lesben im Film verändert? Hat sie sich eurer Meinung zum Positiven verwandelt? Oder gibt es auch Rückschläge?
Beim allgemeinen Frauenfilm-Genre ist die Bilanz durch das verstärkte Aufkommen von Liebeskomödien und Serien wie „Sex and the City“ seit den 1990er Jahren eher eine negative. Die Fahne wird unseres Erachtens von Regisseur_innen wie Margaretha von Trotta oder vielleicht auch Christian Petzold hochgehalten, aber den öffentlichen Diskurs bestimmen Vertreter_innen der seichten Unterhaltungsfilme. Was die Darstellung von Lesben betrifft, sehen wir da eine positivere Entwicklung. Homophobe Positionen sind seit einigen Jahren in Film und TV eindeutig die Ausnahme. Lesben haben inzwischen auch ihren Platz in Seifen-Opern und anderen Mainstream-Produktionen. Bei den sogenannten „reinen Lesben-Filmen“ sehen wir jedoch Rückschritte. Gewiss gibt es Serien-Produktionen wie „L-Word“ oder „Orange is the new black“, aber sonst schafft es kaum noch ein Film ins Fernsehen. Da waren wir in den 1980er oder 1990er schon mal weiter. Außerdem werden kaum noch Filme synchronisiert, sondern nur untertitelt, was deren Chancen erheblich vermindert oder gar verbaut, in den großen Kinos oder im TV gezeigt zu werden. Der Kassenschlager „Loving Annabelle“ ist beispielsweise bis zum heutigen Tag nicht im deutschsprachigen Fernsehen gelaufen.
Die Befreiung der sexuellen Bedürfnisse, die das eigentliche Anliegen der Revolution der 60er und 70er Jahre war, hatte leider zur Folge, dass es aufgrund der Medien zu einer „Sexwelle“ kam. Was denkt ihr darüber? Hat diese Sexwelle die Frau/Lesbe in ein falsches Licht gerückt?
Absolut. Die Sexwelle hatte sich, nachdem sie endgültig im Mainstream angekommen war, zu einem mächtigen Instrumentarium entwickelt, das entscheidend dazu beigetragen hat, dass das Bedürfnis nach Liebe und Sexualität zu einem profitablen Wirtschaftsfaktor in einer vorher nicht da gewesenen Dimension angewachsen ist. Die Objektisierung des Menschen kennt mittlerweile kaum noch Tabus. Die Auswirkungen sind verheerend. Exzessive Schönheitsoperationen, Sextourismus, zunehmende Sexualisierung durch die Medien sind nur einige Beispiele dieser Entwicklung, bei der Frauen die Hauptleidtragenden sind. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen richtet sich der unmittelbare Teil der Sexbranche an die Zielgruppe heterosexuelle Männer, zum anderen sehen sich viele Frauen heute einem immensen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen bzw. ihm nachzueifern, der auch vor Lesben nicht haltmacht.
Am 10.10. feiert ihr euer 10-jähriges Bestehen. Auf was genau dürfen sich eure Besucher_innen freuen? Wie sieht euer Programm aus?
Das Kino Achteinhalb, mit dem wir seit 2005 in Kooperation die Filme zeigen, hat seine Räumlichkeiten im Kultur- und Werkhof Nauwieser Viertel. Dort gibt es auch das N.N., wo unsere eigentliche Feier stattfindet. Ab 19.30 Uhr begrüßen wir unsere Gäst_innen mit Getränken und Knabbereien. Es folgen Grußworte von uns und unseren Unterstützerinnen, das Feiern soll jedoch dabei nicht zu kurz kommen. Außerdem haben wir uns für unsere Gäst_innen ein lustiges Preisrätsel überlegt; die Fragen werden wir dazu dann verteilen und später einsammeln. Um etwa 20.30 Uhr gehen wir alle ein paar Meter weiter in den Kinosaal, wo wir den Kult-Klassiker aus den 1990er Jahren „Kommt Mausi raus?!“ von Angelina Maccarone zeigen werden. Übrigens: Der Filmvorschlag, der als erster an uns herangetragen wurde, mit dem also alles angefangen hat. Danach werden wir die Gewinnerinnen (oder Gewinner) des Preisrätsels verkünden, und die Preise überreichen, zu denen ja auch ein Buchpaket von HOMO Littera gehört. An dieser Stelle möchten wir uns bei euch dafür bedanken. Anschließend werden wir im N.N. weiterfeiern. Alle Freundinnen und Freunde des Frauen-/Lesbenfilms sind zu unserem Jubiläum herzlich eingeladen.
Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview und wünschen euch alles Gute zu eurem 10-jährigen Bestehen.
Und wir bedanken uns für euer Interesse.
Das Programm und weitere Informationen zum 10-jährigen Jubiläum findet ihr hier nochmals zur genaueren Ansicht:10 Jahre Cinédames Jubiläum
Das laufende Programm zu den Cinédames findet ihr hier:„Cinédames“